Unseriöse Inkassofirmen: Wenn nach einem angeblichen Kauf der Gerichtsvollzieher droht

Einer Untersuchung der Verbraucherzentrale zufolge ist jede zweite Inkassoforderung unberechtigt – unseriöse Inkassofirmen bestehen auf ungerechtfertigten Zahlungen und schüchtern den angeblichen Schuldner ein, um ihn zur Begleichung hoher Kosten zu bewegen. Was sind die Strategien, welche Inkassofirmen sind bereits bekannt für ihr zweifelhaftes Vorgehen und was tun, wenn die ominöse Forderung im Briefkasten liegen? Wir haben die Infos.

Häufig ist eine Inkassoforderung erst einmal mit Angst verbunden – welche Zahlung habe ich vergessen? Kommt jetzt der Gerichtsvollzieher? Ich habe doch noch gar keine Mahnung bekommen – und wofür ist die überhaupt? Aber zu allererst einmal heißt es Ruhe bewahren.

Was macht unseriöse Inkassofirmen aus?

Hast du eine Zahlungsaufforderung von einem Inkassounternehmen erhalten, solltest du einige Dinge beachten, bevor du dich zu einer unüberlegten Zahlung hinreißen lässt.

Inkassounternehmen haben keine Pflicht, die an sie übergebenen Forderungen zu überprüfen. So ergibt sich auch das Ergebnis einer Untersuchung der Verbraucherzentralen, in der es in 56 Prozent der Fälle „keine Vertragsgrundlage für die Forderung“ gab.

Mangelnde Informationen

Unseriöse Inkassofirmen versuchen, den Ursprung deiner angeblichen Schulden zu verschleiern. Aus dem Schreiben wird nicht klar, wofür du überhaupt Geld bezahlen sollst, bei wem oder wann du etwas gekauft oder einen Vertrag geschlossen haben sollst.

Im November 2014 wurde festgelegt, dass Inkassofirmen auf ihren Rechnungen deutlich machen müssen,

  • wen sie vertreten.
  • wofür die Zahlungsforderung erhoben wird.
  • wann der betreffende Vertrag auf welchem Wege worüber geschlossen wurde.

Stattdessen wird nicht klar, wie der angeblich ausstehende Betrag kam; vielleicht ist nur eine lange zurückliegende Jahreszahl angegeben oder der Name einer ominösen Website. Es werden unrealistische Fristen gesetzt, um die Schulden zu begleichen, die teilweise lange vor dem Erhalt des Schreibens bereits abgelaufen sind, und es geht nicht hervor, ob die Firma behördlich registriert ist.

„Kein Anschluss unter dieser Nummer“

Auf deine Nachfragen, gerade nach der Klärung des Ursprungs der vermeintlichen Schulden, antwortet niemand, stattdessen werden stur weitere Zahlungsaufforderungen versendet. Unseriöse Inkassofirmen sind logischerweise nicht an der Klärung deiner Fragen interessiert – meist gibt es ja auch überhaupt keinen Grund für die angeblich ausstehenden Zahlungen.

Die Verbraucherzentralen haben einen „Inkasso-Check“ eingerichtet, der dir bei der ersten Einschätzung deiner Zahlungsaufforderung helfen kann. Außerdem bieten viele Anwälte und Kanzleien, wie zum Beispiel Rechtsanwalt Thomas Hollweck, für Verbraucherrecht kostenlose Erstanfragen für Inkassoschreiben.

Wilde Inkassounternehmen

Um in Deutschland Schulden eintreiben zu dürfen, muss ein Inkassobüro im sogenannten Rechtsdienstleistungsregister angemeldet sein. Liegt für die Inkassofirma, die dir Zahlungsaufforderungen geschickt hat, keine Registrierung vor, begeht das Unternehmen eine Ordnungswidrigkeit, die mit bis zu 50000 Euro Bußgeld belegt werden kann.

„Dann werden wir wohl mal bei Ihnen vorbeikommen müssen!“

Da unseriöse Inkassofirmen keine rechtliche Grundlage für ihr Handeln haben, bedienen sie sich häufig Drohungen. So wird im Leser des Schreibens Panik ausgelöst und unbedachte Handlungen hervorgerufen, so zum Beispiel eine Ratenvereinbarung, die oftmals mit der Anerkennung der Schulden einhergeht. Ob extra unverständlich mit juristischen Floskeln um sich geworfen wird, undurchsetzbare rechtliche Maßnahmen oder gerade heraus Gewalt in Aussicht gestellt werden – Drohungen sind ein klares Indiz für unseriöse Inkassofirmen.

Damit drohen unseriöse Inkassofirmen
Screenshot vom 11.04.2018 – aggressive/drohende Formulierungen aus einer Untersuchung von verbraucherzentrale.de
Unterzeichnest du ein Schuldanerkenntnis, verlierst du gegebenenfalls die Möglichkeit, die ungerechtfertigte Zahlung abzuwenden! Besprich dich daher unbedingt mit einem Rechtsbeistand, bevor du irgendetwas zustimmst geschweige denn unterschreibst.

Unverhältnismäßig hohe Gebühren

Der Deutschen Anwaltshotline zufolge dürfen Inkassogebühren zwischen 0,5 und maximal 2,5 Prozent betragen; die Regelgebühr pendelt sich bei 1,3 Prozent ein. Stattdessen werden aber oft höhere Gebühren berechnet.

Eine Untersuchung der Verbraucherzentrale ergab, dass die Gesamtforderungen durch das Einschalten der Inkassofirmen im Durchschnitt um 26 Prozent gestiegen sind, und gerade eigentlich kleine Beträge „unverhältnismäßig in die Höhe getrieben“ werden. Außerdem sind die Kostenaufstellungen für ganze 68 Prozent der Verbraucher nicht verständlich.

Wie treten unseriöse Inkassofirmen auf?

Abofallen

test.de zufolge waren in einer vzbv-Studie ein Viertel der Verträge mit „Gewinnspieleintragungsdiensten“ geschlossen worden; jeder zweite Vertrag stammte aus einer Interntabofalle, aber auch am Telefon und an der Haustür lauern Abofallen, wie sie sich beispielsweise als Routenplaner, StreamingschnupperabosLottogemeinschaften oder Geburtstagsüberraschungen in unserem Blog finden.

In solchen Fällen kann es gegebenenfalls sein, dass du durch einen falschen Klick tatsächlich einen Vertrag abgeschlossen, das aber gar nicht mitbekommen hast. Das Unternehmen schickt dann oftmals unseriöse Inkassofirmen vor, um den angeblichen Schuldner zur Zahlung zu bewegen.
Ob die Forderung bei einem solch versteckten Vertragsschluss jedoch überhaupt gültig ist, ist mit einem Rechtsbeistand beziehungsweise der Verbraucherzentrale zu klären. Viele Verträge, die so entstehen, sind aufgrund der nicht vorhandenen oder fehlerhaften Widerrufsbelehrung noch lange über die normale Widerrufsfrist von zwei Wochen widerrufbar, sodass du die daraus entstandenen Kosten nicht tragen musst. Näheres dazu findest du in unserer Abofallen-Kategorie – vielleicht ist auch der Anbieter dabei, mit dem du angeblich einen Vertrag geschlossen hast.

Unseriöse Inkassofirmen scheinen oftmals mit den immer selben, oder Auftraggebern aus derselben „Branche“ zusammen zu arbeiten. vzbv-Chef Gerd Billen vermutet geradezu „mafiöse Strukturen“.
Es macht daher Sinn bei unverhoffter Inkassopost erst einmal im Netz nachzulesen, ob andere Nutzer bereits ähnliche Erfahrungen gemacht haben könnten, und ob es Hinweise darauf gibt, dass die Forderungen oftmals willkürlich oder unberechtigt sind.

Gewinnspiele

Hier hat der angebliche Schuldner meistens nicht einmal bei einem Gewinnspiel mitgemacht, erhält aber dann – meist per Anruf – die Nachricht, dass er einen großen Gewinn gemacht hat. Dafür müsste jedoch ein Abonnement oder eine Ware gekauft werden. Der Angerufene entscheidet sich in Anbetracht des großen Geld- oder Warengewinns dafür, muss dann aber feststellen, dass der Gewinn ungültig ist, oder niemals ankommt.

Diese Strategie soll sich test.de nach die UGV Inkasso auf zunutze machen: Es werden Schreiben im Namen verschiedener Firmen verschickt, die scheinbare Gewinne versprechen – im Gegenzug müssten nur Waren wie ein Messerblock gekauft werden. Statt der versprochenen Gewinne erreicht den angeblichen Gewinner jedoch dann eine Zahlungsaufforderung von UGV Inkasso.

Näheres dazu, findest du hier. Prinzipiell sollte man sich in einem solchen Fall an die Verbraucherzentrale des eigenen Bundeslandes oder einen Rechtsbeistand wenden.

Telefonterror

Prinzipiell sind Telefonate bei vertraglichen Dingen zu vermeiden; stattdessen sollte man sich unbedingt auf Schriftverkehr beschränken, um die Kommunikation wirklich belegen zu können.

Eine Fragestellerin berichtete 2016 davon, dass bereits drei Jahre zuvor an ihrem Arbeitsplatz ein regelrechter Telefonterror von Servicemitarbeitern des Inkassounternehmens EOS losging, und seitdem andauerte. Grund dafür sei offenbar eine Namensverwechslung, doch statt auf diesen Umstand einzugehen, und die richtige Schuldnerin zu ermitteln, drohten die Anrufer und informierten sogar einen Mitarbeiter der Fragestellerin über deren angebliches Verfehlen.

Ebenso gibt es Berichte über unterdrückte Nummern und Inkassoanrufe trotz Zahlung der Ursprungsforderung.

Seriöse Inkassounternehmen werden aufhören, dich telefonisch zu kontaktieren, wenn du auf den Schriftweg verweist. Sollte das Inkassobüro, das dich anruft, nicht damit aufhören, kannst du darauf verweisen, dass du dich an die Verbraucherzentrale oder einen Anwalt wendest.

Telefonanbieter

In der Untersuchung der Verbraucherzentralen stammte jede fünfte Forderung von einem Telefonanbieter; im Falle von Inkassoforderungen von Telefonanbietern handelt es sich also offenbar relativ oft um unberechtigte Forderungen. Das hören wir auch immer wieder von unseren Nutzern. Oftmals ist hier aber die Automatisierung der teils riesigen Telefonkonzerne der Grund des Übels.

In dieser Vebraucherbeschwerde zum Beispiel hatte der ehemalige Anbieter primacall wegen nie berechneten Telefonverbindungen ein Inkassounternehmen eingesetzt. Die Ansprüche waren dem befragten Anwalt zufolge jedoch bereits verjährt, was der Fragesteller dem Telefonanbieter auch mitteilte, dieser jedoch scheinbar schlicht nicht vermerkte. Nach dem Einschalten von Tesch Inkasso stiegen die Kosten um über 100 Euro an und die Mahnungen hörten nicht auf.

Offenbar werden gerade in großen Mobilfunkunternehmen Forderungen ohne detaillierte Prüfung automatisiert an Inkassounternehmen weitergegeben. Abokündigungen können verzögert im Buchungssystem ankommen, in der Rechnung ein Fehler die Kosten ungerechtfertigt in die Höhe treiben, oder deine Zahlungsverweigerung wegen Leistungsausfall noch nicht bearbeitet worden sein. Bist du dir sicher, dass du im Recht bist, widersprich den Forderungen und erkläre und belege genau, auf welcher Grundlage deine Entscheidung, nicht zu zahlen, beruht.

Seriöse Inkassodienste werden dann wie oben bereits erwähnt die Forderungen überprüfen lassen.

Erotik-Dienste und Datingportale

Weil Datingportale und Erotik-Dienste vielleicht etwas sind, worüber viele nicht offen reden würden, können sich unseriöse Inkassofirmen hier gut einklinken. Denn die Hemmschwelle, mit einer solchen Thematik erst einmal den Schritt zu einer anderen Person zu wagen, ist hoch, und gerade bei nicht allzu hohen Beträgen zahlt der angebliche Schuldner lieber, bevor jemand erfährt, wessen er bezichtigt wird – selbst wenn er niemals einen solchen Dienst in Anspruch genommen hat.

Das tschechische Inkassounternehmen Toma Inkasso beispielsweise verschickte 2012 Zahlungsaufforderungen über 176,81 Euro für Telefonate mit Erotikdienstleistern. Die Empfänger konnten sich an solche Telefonate nicht erinnern. Das Geld sollte innerhalb von fünf Tagen „unter Angabe eines dubiosen Aktenzeichens“ gezahlt werden, ansonsten drohten „weitere Zwangsmaßnahmen (Mahnbescheid, Lohnpfändung, Mitteilung an die SCHUFA)“. Die Verbraucherzentrale stufte diese Forderungen als „dreiste Abzocke“ ein und fand heraus, dass Toma Inkasso auf der eigenen Website eine tatsächlich nicht vorhandenen Schufamitgliedschaft angab.

Gerade Verträge mit Datingportalen machen häufig Probleme; ein großer Name in dem Zusammenhang ist die Firma D.I.E. (ehemals Ideo Labs) (Dateformore, Click and Date, Only-Dates). Deshalb haben wir für dich eine ganze Kategorie in unserem Blog, in der wir uns mit den Vertragskonditionen und Kündigungen bei verschiedenen Datingportalen befassen und vor Abofallen warnen, sodass du gar nicht erst mit einem Inkassounternehmen in Kontakt kommst.

Unseriöse Inkassofirmen: Alles auf einen Blick

Unseriöse Inkassofirmen Grafik

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