Es wird viel über Sex-Bots und Fakeprofile auf Datingportalen wie Ashley Madison oder Lovoo berichtet und auch bei uns beschweren sich Nutzer. Zeit aufzudecken, was wirklich passiert!
Im Rahmen des Datendiebstahls bei Ashley Madison, einem Casual-Datingportal mit über 30 Millionen Mitgliedern, wurde bekannt, dass auf diesem Portal so gut wie kein Frauenprofil echt war. Mitarbeiter von Ashley Madison erstellten die Profile und chatteten mit männlichen Nutzern, um sie zum Kauf zu bewegen. So ergaben interne Dokumente, dass 80% aller Umsätze durch automatisch generierte Profile (auch Angels genannt) initiiert wurden. Auch die deutsche Dating-App Lovoo steht im Verdacht, mit automatisch generierten Bots Nutzer getäuscht zu haben
Auch viele aboalarm-Kunden beschweren sich bei uns, dass Datingportale massenhaft und systematisch Profile von Frauen fälschen, um die Nutzer zum Kauf zu animieren. So schreibt ein Nutzer des Portals Only-Dates, betrieben von der Ideo Labs GmbH, unserem Kundensupport, dass es aus seiner Sicht viele Fakeprofile zu geben scheint. Zu dieser Auffassung ist er insbesondere gelangt, weil aus seiner Sicht viele Nachrichten nicht echt zu sein scheinen. Außerdem hatte er den Eindruck, dass man immer nur Nachrichten bekomme, wenn man gerade online sei. Dies alles fand er sehr verdächtig.
Wir sind diesen Beschwerden nachgegangen, haben recherchiert, mit Experten gesprochen und über 1.000 Datingportal-Abonnenten zum Thema Sex-Bots und Fakeprofile befragt. Doch zunächst werfen wir einen Blick auf die unterschiedlichen Arten von Fakeprofilen.
Welche Arten von Fakeprofilen gibt es?
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Grundsätzlich unterscheidet man zwischen
Fakeprofilen von Dritten und manuell oder automatisch erstellten
Fakeprofilen vom Portalbetreiber selbst.
Fakeprofile von Dritten (Spammer, Scammer und Transen)
In diese Kategorie fallen insbesondere Spammer, die die Website eines Konkurrenten bewerben. In der Regel versprechen Spammer, die sich als Frauen ausgeben, den Nutzern mehr Bildmaterial und einen engeren Kontakt.
Scammer hingegen versuchen die Nutzer direkt zu schädigen, indem sie von diesen Geldüberweisungen (z.B. Erpressung mit Fotomaterial) fordern. Lovoo blockiert nach eigenen Aussagen mithilfe umfangreicher Analysetools täglich bis zu 3.000 Spammer und Scammer-Accounts.
Schließlich beschrieb uns ein Branchen-Insider eine Fakeprofil-Art, die er scherzhaft die schwäbische Transe nannte. Dies sind Männer, die sich als Frau anmelden, um die hohen Abogebühren, die für Männer gelten, zu vermeiden. Frauen können sich nämlich in der Regel kostenlos bei Portalen registrieren, um das Ungleichgewicht zwischen der Anzahl männlicher und weiblicher Nutzer möglichst gering zu halten.
Bots, die vom Datingportal-Betreiber erstellt werden
Beinahe alle Datingportale folgen dem sogenannten Freemium-Geschäftsmodell: Nutzer können sich kostenlos anmelden (free), müssen aber bezahlen, wenn sie bestimmte Mehrwertfunktionen nutzen möchten (premium). Zu den kostenpflichtigen Funktionen gehört meist die Möglichkeit, Nachrichten anderer Nutzer beantworten zu können. Und genau dieser Kaufimpuls soll durch Fakeprofile ausgelöst werden.
Algorithmen oder Mitarbeiter mancher Portaltreiber, wie Ashley Madison, erstellen Fakeprofile mit Fotos und Profildaten von attraktiven Frauen, schreiben als Lockvogel männliche Mitglieder an und bekunden in diesen Locknachrichten Interesse an der Person. Um diese verheißungsvolle Locknachricht beantworten zu können, müssen die Empfänger eine kostenpflichtige Premium-Mitgliedschaft abschließen.
Was sich für den juristischen Laien wie ein Betrug anhört, wird von vielen Anbietern in den eigenen AGB offengelegt. aboalarm hat die AGB von 56 Casual-Dating- und Singleportalen untersucht. Mehr als 50% aller Portale weisen folgende oder ähnliche Formulierungen in ihren AGB auf:
„DER ANBIETER setzt zur Animation und Unterhaltung der Nutzer professionelle Animateure und Operatoren ein, die im System nicht gesondert gekennzeichnet werden. Mit diesen sind keine realen Treffen möglich. Die Nutzer können ihnen lediglich Nachrichten innerhalb des Portals senden oder per SMS oder telefonisch mit ihnen in Kontakt treten. Nachrichten über das elektronische Postfach sind nur im Rahmen des kostenpflichtigen Dienstes möglich.“ (Quelle: Flirtfair AGB)
Wir stellen uns nun zwei Fragen:
- Sind diese AGB Klauseln überhaupt gültig? Schließlich werden diese Profile nicht als gewerblich gekennzeichnet obwohl es sich um eine gewerbliche Tätigkeit unter Vortäuschung einer privaten Kontaktaufnahme handelt.
- Wenn diese Klauseln wider Erwarten doch gültig sind: Machen sich Portalbetreiber strafbar, wenn sie ein solche Klausel nicht in ihre AGB aufnehmen? Schließlich betrifft dies 26 der 50 untersuchten Portale.
Zu der Frage, ob diese Klauseln wirksam sind, haben wir den Fachanwalt für IT-Recht Holger Loos befragt. Dieser hat an der rechtlichen Zulässigkeit starke Zweifel: „Bei einem Datingportal darf der durchschnittlich verständige Verbraucher aus meiner Sicht erwarten, dass die Personen, die er auf den Vorschaubildern sieht, auch tatsächlich für ein Date – gleich welcher Art – verfügbar sind und dass die Personen, mit denen er kommuniziert, auch reale Personen, die für ein Date zur Verfügung stehen, sind. Eine Klausel, die den Anbieter legitimiert, „Animateure und Operatoren“ einzusetzen und dies nicht kenntlich explizit zu machen, ist daher aus meiner Sicht überraschend und somit rechtswidrig.“
aboalarm-Umfrage zu Sex-Bots
Im Zeitraum vom 26. Juli bis 10. August 2015 haben wir männliche Abonnenten von Datingportalen befragt. Bei einer Rücklaufquote von ca. 8% erhielten wir 1.181 Rückläufer. Repräsentativität kann nicht angenommen werden; nicht zuletzt, da keine Strukturdaten von Portalen offengelegt und geprüft werden können.
Zustandekommen von Treffen
Wir wollten wissen, ob die Nutzung des Datingportals zu einem persönlichen Treffen geführt hat. Ein solches haben wir als Erfolg eines Dating-Portals definiert; und dies egal ob das Ziel ein One-Night-Stand oder eine lange Partnerschaft ist.
Abbildung 1: Anteil der befragten Nutzer, bei dem es zu einem persönlichen Treffen kam
Während in der Gruppe der bekannten Single-Portale (Parship, ElitePartner und Friendscout24) jeder Vierte und bei Parship sogar jeder dritte Nutzer berichtete, dass ein persönliches Treffen zustande gekommen sei, zeigt sich für Sexportale wie beispielsweise Dateformore, Flirtcafe oder Daily-Date ein vernichtendes Bild:
Keiner der über 500 antwortenden Kunden der befragten Portale gibt an, eine Frau persönlich kennengerlernt zu haben. In den letzten Monaten hatten wir, meedia.de und Die Welt bereits über Ideo Labs GmbH, der Betreiberin von Dateformore, Daily-Date, Just-Date und zahlreicher ähnlicher Portale, berichtet.
Siehe hierzu u.a.
Dieses eindeutige Ergebnis überrascht umso mehr, als dass viele Nutzer dieser Portale wohl dazu neigen, hinsichtlich der Zahl der Sexkontakten zu übertreiben.
Skepsis der Nutzer
Kein einziges Treffen bei 500 Nutzern? Irgendwie unfassbar. Noch seltsamer wird dieses Ergebnis, da zwischen 35% und 46% der Befragten mutmaßlich von Frauen kontaktiert wurden. Es wundert nicht, dass unter den Nutzern eine weit verbreitete Skepsis bezüglich möglicher Fakeprofile oder Sex-Bots vorherrscht. So gehen 83% aller befragten Nutzer von Dateforemore und sogar 90% der Nutzer von Flirtcafe.de von Fakeprofilen aus. Als Begründung, warum sie Fakeprofile vermuten, nennen die Antwortenden insbesondere:
- viele Anfragen sofort nach Registrierung
- Unterschiedliche Profile haben die gleichen Fotos
- Identische Anfragen unterschiedlicher Frauen
- Unstimmige Profilangaben
- Vermehrte Anfragen vor Ende der Kündigungsfrist
Fazit
Es lässt sich nicht abschließend beweisen, dass Casual-Datingportale wissentlich auf Fakeprofile oder auf automatisch generierte Sex-Bots zurückgreifen. Es ist aber zumindest offensichtlich, dass es zahlreiche Fakeprofile gibt, von wem auch immer diese eingepflegt werden.
Die Portale, die selbst auf solche Profile zurückgreifen, tun dies wohl aus einem offensichtlichen Grund: Es gibt anscheinend viel mehr männliche als weibliche Nutzer auf diesen Portalen. So ergab die Auswertung von Ashley Madison Nutzerdaten, dass es 31 Millionen Accounts von Männern und 5,5 Millionen Accounts von Frauen gab. Von den 5,5 Millionen weiblichen Accounts waren aber nur 12.000 echt. Es ergibt sich somit ein Verhältnis von 2.583 Männern zu einer Frau. Selbst Casanova und George Clooney hätten es hier wohl schwer.
Die Analyse der Werbebotschaften und Traffic-Quellen von Dateforemore.de (einem deutschen Pendant von Ashley Madison) lässt vermuten, dass auch hier die Gewinnung männlicher Abonnenten im Fokus steht. Wenn man diese frauenverachtenden Werbeanzeigen: Screenshot vom 12.09.2015, Similarweb.com, (Achtung pornografisches Bild!) und Landingpages sieht ( Screenshot vom 12.9.2015, Startseite Dateformore), dann kann man sich nicht vorstellen, dass sich viele Frauen bei dateformore.de anmelden. Bestärkt wird der Verdacht, dass laut dem Analysetool Similarweb.com, viele Nutzer über Pornoseiten für Männer (z.B. onlineschlampen.com) zu dateformore.de gelangen. Schließlich schreiben die Betreiber von dateformore.de, die Ideo Labs GmbH, selber, dass sie die Registrierung für Männer zeitweise aussetzen müssen, damit das Verhältnis von männlichen und weiblichen Mitgliedern „ungefähr ausgeglichen ist.“ (Screenshot Dateformore).
Wir wollten wissen, ob wir auf Grund der Tatsache, dass die Ideo Labs GmbH keine Klausel in ihren Portal-AGB hat, die „Animateure und Operatoren“ erlaubt, annehmen dürfen, dass dort alles mit rechten Dingen zugeht und haben daher an Rechtsanwalt Dr. Carsten Brennecke, Partner der bekannten Medienrechtskanzlei Höcker Rechtsanwälte geschrieben und um Auskunft gebeten.
Dr. Brennecke hat die Firma Ideo Labs GmbH bereits in zahlreichen Verfahren vertreten. Laut seiner Aussage tritt die Firma Ideo Labs GmbH mit ihren Nutzern aber nicht über künstliche Profile (sog. „Bots“ oder „Fake – Profile“) in Kontakt und zwar „…weder durch Animateure, noch durch Operatoren, noch durch Programme…“ . Es scheint also so zu sein, dass entweder Dritte Bots und/oder Fakeprofile einpflegen oder dass Dateformore und die anderen Portale von der Ideo Labs GmbH tatsächlich welche der wenigen Portale sind, auf denen alle sexwilligen attraktiven Frauen aus den Werbevorschauen tatsächlich zu haben sind und die über 500 befragten aboalarm-Nutzer einfach für keine der Frauen ansprechend waren.
In jedem Fall fordern wir Verbraucherschützer und Gerichte auf zu überprüfen, ob automatisch generierte Profile legal sind oder den Nutzer für gewerbliche Zwecke in die Irre führen und damit illegal sind.