Bild.de schließt seit Kurzem Nutzer mit AdBlockern aus. Warum reagiert der Verlag so drastisch? Wir entschlüsseln die Hintergründe.
Das Interesse von Medien und Nutzern war groß, als Bild.de letzte Woche Leser mit AdBlockern von ihrer Seite verbannt hat.
Sprich, wer AdBlocker nutzt und kein Bild-Abo hat, darf bzw. kann keine Bild-Artikel mehr lesen. Nutzer sollen den AdBlocker abschalten oder ein Abo für 2,99 Euro pro Monat abschließen.
Außerdem geht die Bild inzwischen zum nächsten Schritt über und mahnt Videoanleitungen ab, die erklären, wie man die AdBlock-Sperre bei Bild umgehen kann. Laut Bild sei dies nämlich eine „rechtswidrige Tat“ .
„Es gab in letzter Zeit Verfahren zum Beispiel gegen AdBlock Plus, die in der Regel für die Verlage schlecht ausgegangen sind. Aus meiner Sicht sind Anleitungen über YouTube, die Wissen vermitteln, wie Ads geblockt werden können, mit diesen Sachverhalten durchaus vergleichbar,“ Holger Loos, Fachanwalt für IT- und Medienrecht von der Kanzlei Loos.
Doch was steckt hinter diesem Streit und warum reagiert der Axel Springer Verlag so drastisch auf Werbeblocker? Wir wollen die Hintergründe für dich ein wenig entschlüsseln.
Das Problem der Verlage
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Problem für den Streit ist – wie so oft – das liebe Geld. In einer Zeit, in der die Einnahmen durch die Print-Versionen von Zeitungen und Zeitschriften immer weiter sinken,
muss online Geld verdient werden. Daher bauen immer mehr Verlage sogenannte
Paywalls auf ihren Seiten ein. Sie verbergen ihre Inhalte sozusagen hinter einer Bezahlschranke. Dieses Modell kann ganz unterschiedlich sein: Entweder sind bestimmte Artikel zahlungspflichtig oder alle. Man kann ein Abo abschließen oder für einzelne Artikel bezahlen. Im April 2015 setzen bereits 106 deutsche Zeitungen auf die eine Paywall.
Lösung für Verlage: Paywall oder Werbung
Wer keine Paywall errichten will, der ist auf Werbeeinnahmen angewiesen und verkauft daher Werbeflächen auf seinen Seiten. Diese Werbebanner haben interessante Namen wie Skyskraper, Rectangle oder Flash Layer. Geld fließt meist für einen Klick auf den Banner oder für einen erfolgreichen Lead über den Banner (siehe Wikipedia: Affiliate-Marketing). Daher gilt, je auffälliger ein Banner, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass in jemand sieht und das jemand ihn anklickt.
Nur die Leser sehen das oft anders: Sie fühlen sich von den animierten Bannern, die sich teilweise über den halben oder sogar den ganzen Bildschirm legen, gestört und genervt. Daher greifen diese zum AdBlocker – um wieder in Ruhe im Web stöbern zu können. Das wiederum stört die Verlage, denn ohne Klicks verdienen diese auch kein Geld und die Abo-Modelle verkaufen sich eher schlecht als gut.
Die Diskussion dreht sich also um kein neues Problem, dem sich die Bild nun mit einer drastischen Maßnahme gestellt hat. Bereits im Mai 2013 riefen Spiegel, Zeit, Süddeutsche, FAZ, Golem und RP Online ihre Nutzer auf der Website auf, die Werbeblocker zu deinstallieren – mit wenig Erfolg.
Das Hauptproblem ist wohl, dass die Nutzer es bereits gewohnt sind, Informationen im Internet kostenlos serviert zu bekommen.
Neuer Streit zwischen Bild und YouTuber
Ein neuer Streit ist kurz nach der Sperre bei Bild.de entfacht. Die Eyeo GmbH hat eine Anleitung veröffentlicht, in der gezeigt wird, wie man die Sperre umgehen und trotzdem kostenlos bei Bild.de mitlesen kann. Auch der Youtuber Tobias Richter hatte ein solches Video veröffentlicht. Der Axel Springer Verlag konnte eine einstweilige Verfügung gegen diese Anleitungen erwirken. Der Verlag sah das ganze nicht nur gegen sein Abo-Modell gerichtet sondern vor allem als einen Aufruf zu einer rechtswidrigen Tat.
Bereits im Frühjahr hatte das Landgericht Hamburg entscheiden, dass der Nutzer selbst entscheiden dürfe, ob er Werbung sehen will oder nicht. Bei der Umgehung der Bezahlschranke hat das Gericht jedoch einen anderen Standpunkt, dies wertete es nämlich als illegales Angebot.
Dazu sagt Holger Loos: „Natürlich ist es für eine Online-Zeitung, die sich zu nicht unerheblichen Teilen über Werbung finanziert, dem Grunde nach geschäftsschädigend und stellt einen gewissen Eingriff in den Geschäftsbetrieb dar, wenn immer mehr Nutzer die Anzeigen, mit denen Geld verdient werden soll (und wohl auch muss), blockieren.“
Aus Sicht der Verlage und auch von Bild ist der Schritt daher absolut nachvollziehbar: Denn wer kein Geld verdient, den gibt es auf kurz oder lang nicht mehr.
Doch wie stellt sich das Problem aus Nutzersicht dar? Warum sind die Nutzer nicht bereit, für die Inhalte zu bezahlen? Geht es rein um die so viel zitierte Geiz-ist-geil-Mentalität?
Die Erfahrungen der Nutzer
Aus Nutzersicht ist der Fall relativ klar: Man hat sich daran gewöhnt, dass man – gerade journalistische Inhalte – im Internet kostenlos konsumieren kann. Vor einiger Zeit gab es diese Überzeugung aber auch noch bei Filmen und Musik. Wer erinnert sich nicht an massenhafte Abmahnungen und immer wieder neuen Anleitungen, wie man Filme und Musik doch irgendwie halb-legal aus dem Internet herunterladen kann.
Doch in diesem Umfeld ist inzwischen ein Umdenken eingekehrt, immer mehr Nutzer sind bereit, für Filme und Musik im Netz zu bezahlen. Doch diese Denke hat sich bisher noch nicht auf den Journalismus anwenden lassen. Wie eine Bitkom Studie aussagt sind 61% der Befragten nicht bereit, für journalistische Inhalte im Web zu bezahlen. Doch woran liegt das? Schätzen sie die Arbeit der Journalisten nicht, ist sie ihnen nicht so wichtig wie Musik und Filme?
„Der Markt wird ohnehin immer schwieriger für Online-Magazine. Auf der einen Seite wollen Nutzer in der Regel kein Geld für Content zahlen; auf der anderen Seite werden dann aber auch noch Ad-Blocker verwendet, mit denen den Unternehmen Möglichkeiten genommen werden, mit dem Content Geld zu verdienen,“ gibt Loos zu bedenken.
65% der Nichtzahler gaben als Grund an, dass es ausreichend kostenfreie Angebote gäbe, weitere Gründe waren mangelnde Qualität, ein hoher Preis oder komplizierte Bezahl-Verfahren.

Auch hier zeigt sich ganz deutlich: der Nutzer ist es gewohnt, redaktionelle Inhalte umsonst zu bekommen. Und wenn er den Inhalt bei Bild.de nicht mehr bekommt, geht er eben woanders hin. Der Druck einer Marke treu zu bleiben scheint in diesem Bereich nicht so groß zu sein, wie bei Künstlern – um bei dem Vergleich zu bleiben.
Geht es auch anders?
Es scheint wie ein Teufelskreis: Der Nutzer will nicht für ein Abo bezahlen, daher schalten die Verlage Werbung, doch die Werbung stört den Nutzer auch, er blendet sie mit Werbeblockern aus, der Verlag verdient wieder kein Geld. Bedeutet das das Ende für große Verlage und den sogenannten Qualitätsjournalismus?
Doch es gibt auch einige News-Websites, die ohne Bezahlschranke und auch ohne Werbung auskommen. Als ein Beispiel ist uns BASIC thinking aufgefallen.
Die Seite verzichtet seit April 2015 komplett auf Banner- oder Anzeigen-Werbung. Außerdem verwendet die Website seit etwa zwei Wochen einen Hinweis auf der Seite, der zum Spenden aufruft.
Screenshot BASIC thinking am 29.10.2015
Wir haben Tobias Gillen, Chefredakteur & Geschäftsführer von BASIC thinking zu diesem Aufruf befragt:„Wir haben den Hinweis seit ca. zwei Wochen online und es spendet eine klare Minderheit. Zum Überleben reicht das nicht, aber es ist eine tolle Anerkennung für uns. Wir sind mit unserem aktuellen Bezahlmodell, bei dem wir nicht von AdBlockern, Banneranzeigen oder Vermarktern abhängig sind zudem sehr zufrieden.“
Mehr zu den Hintergründen und den Folgen der Entscheidung kannst du hier nachlesen: Baiscthinking.de: BASIC thinking schafft den Turnaround
Unser Appell an Verlage UND Nutzer!
Liebe Leser von Online-Artikeln,
Journalismus bedeutet Arbeit! Richtig guter Journalismus mitunter sehr viel Arbeit.
Denn Journalisten prüfen Quellen, sprechen mit Leuten, schießen Fotos, vergleichen unterschiedliche Ansichten und noch vieles mehr. Das erfordert Zeit und eine gute Ausbildung.
Wir wissen, jeder Leser hat vermutlich eine andere Auffassung von Qualität, doch eines sollte klar sein: Wenn der Großteil der Meldungen nur noch schlecht überprüft und einseitig geschrieben ist, dann ist niemandem geholfen.
Liebe Verlage,
ihr braucht Geld, das verstehen wir. Doch mit Zwang Geld von Nutzern eintreiben zu wollen, das gelingt nur in den seltensten Fällen. Eure Website-Besucher wollen vorrangig eines: eure Artikel lesen. Wenn das nicht mehr geht, weil sie von PopUps, die die halbe oder ganze Seite einnehmen, Werbeanzeigen, die bei jeder Mausbewegung anspringen und Videos, die sich automatisch abspielen, vom Lesen abgehalten werden – dann werden sie schlichtweg nicht mehr zu euch kommen (oder AdBlocker verwenden). Wenn ihr das nicht wollt, überlegt euch, wie man Werbung nutzerfreundlicher gestalten kann, um so einen Kompromiss zu finden. Versucht außerdem auch mal neue Wege, um die Nutzer zum Bezahlen zu animieren.
Quellen:
Winfuture 1 & Winfuture 2
Golem 1 & Golem 2
iPhone-Ticker
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